Lang lebe Lord Fauntleroy

Lang lebe Lord Fauntleroy

Der kleine Lord ist wieder da

18.12.2013 - 11:38 Uhr

Am heutigen Freitag zeigt die ARD, wie in jedem Jahr seit 1982, wieder den kleinen Lord, der hierzulande so sehr zu Weihnachten gehört wie Dinner for One zu Silvester. Das Original ist dabei schon fast 130 Jahre alt: Von 1885 bis 1886 erschien es als Fortsetzungsgeschichte in einem amerikanischen Kindermagazin und löste schon bald einen Hype aus, wie man ihn sich praktisch bis Harry Potter nicht mehr ausmalen konnte. Überall trugen die kleinen Lords des Bürgertums fortan Fauntleroy-Anzüge, überall gab es Fauntleroy-Fanartikel und bald auch ein erfolgreiches Fauntleroy-Broadwaystück.

Kinemacolor

Als die Bilder schließlich laufen lernten, gehörte der kleine Lord erneut zu den großen Profiteuren des neuen Mediums: Schon 1914 entstand eine Quasi-Farbversion, die auf das damals durchaus erfolgreich eingesetzte Kinemacolorverfahren zurückgriff und Rot- und Grünfilter verwendete, um eine Art von Farbigkeit zu erzeugen. Das Ergebnis würden wir heutzutage nicht gerade als überzeugend empfinden, aber in einer Zeit, in der Filme teilweise noch handkoloriert wurden, waren Kinemacolorfilme in etwa das, was die 3D-Welle vor einigen Jahren war: Ein echter Hingucker.

Lady Fauntleroy

4 Jahre nach dem Fauntleroyschen Pilotversuch wurde dann ein ungarischer Lord auf die Leinwände losgelassen, und 3 Jahre später spielte die erfolgreiche Kinderschauspielerin Mary Pickford den Lord Fauntleroy. Besagte Ms. Pickford, die eigentlich Gladys Marie Smith hieß, war allerdings keinesfalls das erste Mädchen, das die Fauntleroy-Rolle übernahm: Schon zu Broadway-Zeiten war ein weiblicher kleiner Lord zum Einsatz gekommen, und schon damals war die kleine Darstellerin einer der größten Kinderstars ihrer Zeit.

Die international bekannteste Fassung von 1936

Der bis heute international erfolgreichste Lord Fauntleroy war allerdings nicht Fräulein Pickford, sondern ihr Kinderstarkollege Freddie Bartholomew, der 1936 ins Fauntleroy-Kostüm schlüpfte. Er galt als Wunderkind, das endlose Shakespearetexte im Handumdrehen lernen und aufsagen konnte. 1930 übernahm er seine erste Kinorolle, 1935 ging der kleine Brite in die USA, um dort an der Seite von Basil Rathbone (dem späteren Errol-Flynn-Dauergegenspieler und Sherlock Holmes) in David Copperfield mitzuspielen. Bartholomew wurde zum Star und drehte ein Jahr später mit dem späteren Vom-Winde-verweht-Produzenten David O. Selznick den kleinen Lord, der bis zu Vom Winde verweht auch der erfolgreichste Film seines Studios war.

Anime

Jepp, selbst das gibt es: Der kleine Lord als Anime

Danach wurde es lange Jahre still um den kleinen Lord: Die USA hatten ihre perfekte Fassung gefunden, die Europäer wollten nicht so recht Neues wagen. Erst in den 70er Jahren wurde Lord Fauntleroy deshalb wieder aus der Versenkung geholt und erst 1980, mit "unserem" heutigen Weihnachtsfilm, wurde eine neue Filmfassung angefertigt, die in einigen Ländern sogar im Kino gezeigt wurde. Seither gab es einen misslungenen Modernisierungsversuch in zwei Teilen mit Mario Adorf, einen misslungenen Political-Correctness-Versuch mit Christiane Hörbiger, Veronica Ferres und einer Lady anstelle eines Lords, eine britische Miniserie, eine russische und eine philippinische Verfilmung und sogar eine Anime-Version, aber an Alec Guinness und Ricky Schroder ist vielsagenderweise niemand mehr herangekommen.

Insofern können wir heute beruhigt zum inzwischen 32. Mal den kleinen Lord schauen und euch wünschen, was er am Ende allen wünscht: Ein frohes, gesegnetes Fest. Und bis zum nächsten Mal! :-)