10 Gründe, wieso Star Wars Filmgeschichte geschrieben hat

10 Gründe, wieso Star Wars Filmgeschichte geschrieben hat

Zum 40. Geburtstag von Star Wars

25.05.2017 - 17:52 Uhr

Es gibt nur wenige Filme in der Geschichte Hollywoods, die die Filmwelt so bleibend verändert haben wie der Film, der heute vor 40 Jahren in die amerikanischen Kinos kam: Star Wars. Nachdem Die Geburt einer Nation dem abendfüllenden Spielfilm moderner Prägung 1916 zum Durchbruch verholfen und Der Jazzsänger 1927 den Tonfilm zum Massenphänomen gemacht hatte, folgte nur noch eine große Weiterentwicklung des Films, der Farbfilm, dessen Erfolg sich 1937 mit Disneys Schneewittchen und die sieben Zwerge und 1938 mit Robin Hood, König der Vagabunden einzustellen begann.

Danach experimentierte Hollywood zwar im Kampf gegen das aufstrebende Fernsehen noch mit diversen Breitwandverfahren und ersten Versuchen in Richtung Dreidimensionalität - selbst John Wayne drehte damals einen 3D-Film (Man nannte mich Hondo) -, blieb technisch ansonsten aber weitestgehend konservativ. Diese Stagnation machte sich zu Beginn der 70er Jahre umso stärker bemerkbar, als es die alten Studios, die Ende der 60er nach und nach zusammengebrochen waren, verpasst hatten, Nachwuchs auszubilden. Filmtechnisch musste Hollywood daher in den 70er Jahren im Zuge eines radikalen Generationenwechsels zum zweiten Mal das Laufen lernen.

Im Falle von Star Wars sorgte dies für mehrere Innovationen auf einen Schlag, die das Konzept Blockbuster neu definierten:

1. Ein neues Publikum

Regisseur George Lucas hatte mit als erster erkannt, dass dem eigentlich wichtigsten Publikum der Filmbranche - Kindern ab 12 Jahren - nichts Optimistisches mehr geboten wurde. Seit dem Tod des Westerns und dem Aus der großen Mantel-und-Degen-Produktionen saßen die ohne Filme mit überzeugenden Heldenfiguren. Stattdessen waren die 70er Jahre bis Star Wars geprägt von Antihelden und Katastrophenfilmen. Star Wars wurde auch deshalb zum Kassenschlager, weil eine ganze Generation seit Jahren erstmals wieder einen auf sie zugeschnittenen Film im Kino sehen konnte und wollte.

2. Unbekannte Darsteller

Wer sich die Erfolgsfilme der 70er Jahre vor Star Wars ansieht, wird immer wieder auf abgehalfterte Spitzendarsteller der 50er und 60er Jahre stoßen. Dem jungen Publikum hatten die jedoch nichts mehr zu sagen, weshalb Lucas gegen erheblichen Druck auf den Einsatz von Unbekannten in seinen Hauptrollen drängte. Heute mag es zwar schwer vorstellbar sein, dass es eine Zeit gab, in der niemand Harrison Ford kannte, aber 1977 war der ein genauso unbeschriebenes Blatt wie sein Luke-Skywalker-Kollege Mark Hamill. Einzig Leia-Darstellerin Carrie Fisher, die im vergangenen Dezember viel zu früh mit gerade 60 Jahren starb, war insofern ein Begriff, als ihre Eltern zwei der größten Stars der 60er Jahre gewesen waren. Auch sie kannte die Filmwelt aber nur als Namen, womit allein die Nebendarsteller Alec Guinness, der mit Die Brücke am Kwai einen Oscar gewonnen hatte und als einer der drei größten Charakterdarsteller Englands galt, und Peter Cushing, der in den Hammer-Horrorfilmen zur Verkörperung des Horror-Genres geworden war, echte Bekanntheit genossen.

3. Die Heldenreise

Wer sich die erfolgreichsten Blockbuster seit Star Wars näher ansieht, wird immer wieder ähnliche Muster vorfinden: Ein junger Held, ein Ruf, ein weiser Mentor, eine abenteuerliche Reise mit Gefahren und Abenteuern, ein großer Kampf am Ende. Kein Wunder, denn schon Star Wars übernahm klassische Muster, die der amerikanische Mythenforscher Joseph Campbell u.a. auf Basis der Arbeiten des Psychiaters und Begründers der analytischen Psychologie Carl Gustav Jung Ende der 40er Jahre in seinem Buch Der Heros in tausend Gestalten als Heldenreise dargestellt hatte. Lucas sah sich die Schritte dieser Heldenreise genau an und nutzte sie als Schablone nicht nur seines ersten Star-Wars-Films, sondern auch der 5 von ihm verantworteten Fortsetzungen und Vorgeschichten. Auch dadurch machte er seine fremde Science-Fantasy-Welt vertrauter, nur führte der Erfolg dieses Vorgehens zu bis heute endlosen Versuchen, es ihm gleich zu tun. Wenn sich viele Filme wie Star Wars anfühlen, ist also auch das ein Grund dafür.

4. Lebendige Welten

"Gebrauchte Zukunft" nannte Lucas das, was ihm für Star Wars vorschwebte: Nicht glitzernde, gerade aus der Fabrik gekommene Raumfahrzeuge, sondern eine abgenutzte Welt, die schon lange vor der gerade gezeigten Szene dagewesen und noch lange nach ihr bestehen würde. Die Wirkung dieses Konzepts war umso durchschlagender, als Lucas seinen Film in einer klassischen Science-Fiction-Umgebung - einem hellweißen Raumschiff mit glänzenden Robotern - beginnen ließ, bevor er auf Luke Skywalkers Heimatwelt Tatooine eine eingestaubte und im Falle von Han Solos Raumschiff halb verrostete Realität zeigte.

5. Eine neue Rolle für den Ton

Wer an Star Wars denkt, dürfte vor allem bemerkenswerte visuelle Effekte vor Augen haben, doch mindestens so revolutionär wie seine Bildeffekte war auch der Ton des Films: Mit Ben Burtt gewann Lucas einen Tondesigner, der seiner Science-Fantasy-Welt überzeugend Leben einzuhauchen wusste, indem er nicht einfach zum Synthesizer griff, um Roboter-Piepslaute zu erzeugen, sondern durch die Aufnahme und Mischung von in der Realität tatsächlich vorkommenden Geräuschen eine entfremdet vertraute, anstatt einer völlig fremden Tonkulisse schuf. Auf musikalischer Seite unterstützte Komponist John Williams genau diesen Ansatz, indem er keine Science-Fiction-Klänge besteuerte, sondern eine Weiterentwicklung von Erich Wolfgang Korngolds 30er-Jahre-Abenteuer-Filmmusik. So fremd Lucas' Welt auch aussehen mochte, der Klang blieb auf diese Weise immer vertraut.

6. Ungeahnte Spezialeffekte

Wer Star Wars sagt, muss immer auch Industrial Light & Magic dazusagen: George Lucas' Effektfirma, die er 1975 mit einem gewagten Personalmix aus Grafikstudenten und Werbefachleuten gründete, revolutionierte die Welt der Spezialeffekte in Star Wars mit John Dykstras Dykstraflex-Kamera, der ersten computergesteuerten Kamera der Welt, mit der Bildebene auf Bildebene auf exakt gleiche Weise gefilmt werden konnte, wodurch Spezialeffektaufnahmen mit völlig neuer Dynamik möglich wurden. Bis zur Entwicklung computergenerierter Effekte blieb das System das Nonplusultra, und natürlich stammten auch die ersten CG-Effekte von Industrial Light & Magic: In Das Geheimnis des verborgenen Tempels war 1985 die erste CG-Figur der Filmgeschichte zu sehen - ein Bleiglasritter -, in Jurassic Park lernten bei ILM dann Spielbergs CG-Dinosaurier das Laufen. Einen der ersten CG-Spezialeffekte kann man übrigens auch in einem Star-Wars-Film bewundern: Das Hologramm des Zweiten Todessterns in Die Rückkehr der Jedi-Ritter stammte bereits aus dem Computer.

7. Und: Schnitt

Visuell ist Star Wars nicht nur wegen seiner Spezialeffekte zum Vorbild geworden, auch seine Schnitttechnik hat Filmgeschichte geschrieben: Wer den Originalfilm heute sieht, mag ihn streckenweise als eher langsam empfinden, doch 1977 waren die schnellen Schnitte ebenso revolutionär wie die Szenenkonstruktion über den Schnitt. Am bemerkenswertesten ist hier bis heute die Raumschlacht am Ende des Films, in der mehrere Handlungsstränge nahtlos ineinandergreifen: Der Angriff der Raumschiffe auf den Todesstern, die Ereignisse in der Basis der Rebellen, die den Angriff per Funk verfolgen und die Ereignisse auf dem Todesstern, wo die Schurken ihren Sieg erwarten. Im Drehbuch findet sich diese Entwicklung noch als chronologische Abfolge von Einzelszenen, im Film hingegen erzeugt der Schnitt ein Gefühl von Gleichzeitigkeit. Für Film- und TV-Produktionen ist Star Wars dadurch bis heute der häufig unbekannte Vorläufer.

8. Erweiterte Produktwelten

Finanziell war Star Wars nicht nur durch seine Hinwendung zu einem jüngeren Publikum ein Hit, sondern auch durch seine zu der damaligen Zeit äußerst umfassende Zweitvermarktung des Films durch Actionfiguren, T-Shirts und sonstige Produkte (Carrie Fishers Lieblingsprodukt war übrigens ein Leia-Shampoo, das sich nur öffnen ließ, indem man Leia den Kopf abriss). In den 80ern versuchte Matell die Star-Wars-Erfolgsgeschichte umgekehrt neu zu schreiben: Mit den Masters of the Universe brachte Matell erst die Actionfiguren heraus und baute dann darauf eine Zeichentrickserie und einen Film auf. Weitere Franchises, die das Star-Wars-Modell zumindest in Teilen nachzuahmen versuchten, sind die Turtles, Transformers und Ghostbusters.

9. Film und Fernsehen

Was Marvel heute mit seiner Fernsehserie Agents of Shield und seinen Avengers-Kinofilmen tut, gab es ansatzweise bereits bei Star Wars: Das Holiday Special überließ bereits zu Thanksgiving 1978 die Hauptrolle neuen Figuren und mobilisierte die bekannten Star-Wars-Kinohelden nur für Gastauftritte. Insgesamt war dieses Holiday Special, in dem Han Solo versucht, Chewbacca zum Lebenstagsfest auf seine Heimatwelt Kashyyyk zurückzubringen, ein Angriff auf den guten Geschmack und ist bis heute nur als Kuriosum erträglich, doch das Grundmodell der Verzahnung von Film- und TV-Inhalten hat sich durchgesetzt und ist längst auch zu Star Wars zurückgekehrt, wo die Saga in Form von Animationsserien wie Star Wars: The Clone Wars und Star Wars Rebels erweitert und vertieft wird. Ein neues Animationsprojekt zu Star Wars ist übrigens schon in Planung: Forces of Destiny wird im Juli auf Youtube und im Herbst in den Disney-Sendern auf Sendung gehen.

10. Endlose Sequels

Seitdem die Walt Disney Company 2012 Lucasfilm übernommen hat, sind bei Star Wars alle Dämme gebrochen: Jahr vor Jahr erscheint nun ein neuer Kinofilm, im Dezember kommt mit Star Wars: Die letzten Jedi bereits der dritte seit 2015, im Mai nächsten Jahres wird der vierte über Han Solos Jugendabenteuer folgen.

Neu an dieser Schwemme ist allerdings nur der deutlich verkürzte Produktionszeitraum, angedacht waren so viele Star-Wars-Filme bereits sehr früh: Schon 1978 schwebten George Lucas selbst bis zu 12 Filme in seiner Star-Wars-Welt vor, die allerdings nur begrenzt aufeinander aufbauen sollten.

Statt einer großen Familiengeschichte ging es ihm in den Nachwehen seines ersten Kinofilms zunächst nur um beliebige neue Abenteuer seiner Helden, ohne familiäre Melodramatik, väterliche Enthüllungen oder endgültige Siege über das böse Imperium. Im überlieferten ersten Drehbuch für den Film, der 1980 unter dem Titel Das Imperium schlägt zurück in die Kinos kam, wird dieser Ansatz noch sehr deutlich: Zwar tauchen dort bereits viele Versatzstücke des späteren Kinofilms auf, doch auf dramatischer Ebene bleibt der Film im Vergleich zum Endprodukt unendlich flacher. Hier ist Darth Vader noch immer nur der Comicschurke des ersten Kinofilms, sind die Jedi-Ritter keine buddhistisch angehauchten Mönchsphilosophen, sondern comicartige Superhelden, deren "Macht" sich mit Beschwörungsformeln aktivieren lässt. Wer sich dieses Star Wars ausmalen will, muss sich insofern nur die Superman- oder Bond-Filme vor Augen führen, in denen sich die Hauptfiguren nie entwickelten, sondern faktisch immer nur das gleiche Abenteuer noch einmal unter leicht veränderten Vorzeichen erlebten.

Dass Star Wars mit Das Imperium schlägt zurück die Kurve hin zur Vertiefung der Figuren gelang, ist insofern ein erstaunlicher Glücksgriff für die Reihe, doch für die Filmgeschichte entscheidender war der Erfolg des Films und seiner Fortsetzung Die Rückkehr der Jedi-Ritter: Ohne diese Erfolgsgeschichte wäre der heutige Trend zu Dreiteilern wohl bei weitem nicht so ausgeprägt, denn Star Wars hat hier das Muster vorgegeben.

  1. Vorstellung der Figuren und des Szenarios.
  2. Dramatische Weiterentwicklung.
  3. Auflösung und Ende.

Den Ablauf kennen wir inzwischen von jedem zweiten Franchise, nur dass er selten so überzeugend gelingt wie noch bei Star Wars.

Fazit

Es gibt das Hollywood vor Star Wars und das Hollywood, das sich danach nach seinem Bilde schuf. Fragt man George Lucas' Freunde und Weggefährten aus den 70er Jahren, darunter Filmlegenden wie Martin Scorsese, Brian De Palma und Walter Murch, so sehen sie den Erfolg von Star Wars als Irrweg der Filmgeschichte, der es ihnen unmöglich machte, künstlerische Produktionen zu finanzieren, da die ganze Filmwelt nur noch Star-Wars-Klone zu produzieren bereit war. Das ist sicherlich die eine Seite der Medaille. Die andere sehen wir in unseren Kinos: Die Bild- und Tonqualität ist besser, als sie es je war, Effekt-Blockbuster finanzieren technische Fortschritte wie 3D und Virtual Reality, und jeder Megafilm will höher, schneller, weiter noch mehr bunte Fantasy-Welten auf die Leinwand zaubern. Quantitativ hat sich Star Wars insofern auf breiter Front durchgesetzt.

Ob auch qualitativ noch alles den Zauber hat, den Zuschauer 1977 erleben konnten, als Luke Skywalker erstmals in den Doppelsonnenuntergang blickte, muss wohl jeder für sich entscheiden. So oder so steht fest: Ohne Star Wars wäre die Film- und Unterhaltungswelt heute eine völlig andere. Deshalb: Happy Birthday, Star Wars. Und auf die nächsten 40 Jahre.