Ein Leben zwischen Licht und Schatten

Ein Leben zwischen Licht und Schatten

Zum 80. Geburtstag von Omar Sharif

11.07.2015 - 08:57 Uhr

Am Wochenende ist Omar Sharif im Alter von 83 Jahren gestorben. Wir blicken zurück auf eine Karriere zwischen Licht und Schatten.

Der Ägypter Michael Demitri Shalhoub befand sich in den 60ern auf dem besten Wege, zur Hollywood-Legende zu werden. Nur ein unerfreulicher Umstand kam ihm dabei ins Gehege: Er fiel nicht tot um. Anders als ein James Dean, der durch sein Ableben ewig jung erstrahlen konnte, fand Shalhoub ab 1965 immer weniger Rollen von Format und entwickelte sich über die Jahre zu einer angestaubten Marke, die einerseits mehr und mehr Patina ansetzte, andererseits aber auch immer schlechter in ihre jeweilige Gegenwart passen wollte. Heute wird Shalhoub, besser bekannt als Omar Sharif, 80 Jahre alt, und noch immer steht sein Name für Glanz, Größe und ein längst verschwundenes Hollywood. Und für eine Karriere des Durchschnitts mit einigen wenigen echten Perlen.

Sharif war praktisch jeder Lebensweg in die Wiege gelegt, nur nicht gerade der eines Schauspielers. Sein Vater betrieb eine Holzhandlung in Kairo, er selbst studierte dort Mathematik und Physik und hätte damit entweder den väterlichen Betrieb übernehmen oder eine Akademikerlaufbahn einschlagen können. Stattdessen kam ihm die große Politik in die Quere, denn mit der ägyptischen Revolution von 1952 ging es mit dem Geschäft seines Vaters bergab, nachdem der zuvor eng mit dem gestürzten Königshaus verbandelt gewesen war. Der Lebemann Sharif wandte sich in dieser Lage der Schauspielerei zu und wurde bereits mit seinem ersten Film Sira` Fi al-Wadi (deutscher Titel: Tödliche Rache) zum lokalen Star, eine Position, die er durch die Heirat mit der ägyptischen Filmgöttin Faten Hamama festigen und ausbauen konnte. Mit ihr zusammen drehte er bis 1961 mehr als ein halbes Dutzend Filme, in denen sich das verliebte Paar publikumswirksam in Szene setzte.

Der internationale Durchbruch kam für Sharif mit einer seiner bis heute wohl bekanntesten Rollen: 1961 besetzte David Lean ihn als Sherif Ali in seinem Epos Lawrence von Arabien und brachte ihm damit nicht nur einen Golden Globe ein, sondern auch eine Oscar-Nominierung sowie internationale Berühmtheit. Sharif sah seine Zukunft im Monumentalkino und legte bis 1965 stilecht nach: 1964 gab er in Der Untergang des Römischen Reiches, einem der größten Flops der Kinogeschichte, den König von Armenien, 1965 war er gar als Dschingis Khan zu sehen, auch dieser Film ein massiver Irrtum, umso mehr als er als neuer Ben Hur vermarktet wurde und vor allem durch seine beunruhigende Mischung aus rassistischen Stereotypen und seltsamem Overacting in Erinnerung bleibt.

Zu diesem Zeitpunkt hätte man Sharif bereits als One-Hit-Wonder abschreiben können, wäre da nicht wiederum David Lean gewesen, der ihm die Titelrolle seines jüngsten Monumentaldramas Dr. Schiwago anbot. Und ihm, wohl nicht zuletzt aufgrund Sharifs gezeigtem Hang zum Overacting, vor allem die Anweisung gab, möglichst wenig zu schauspielern. Das Resultat dieser Regieanweisung ist bis heute bemerkenswert: Sharif tut in Dr. Schiwago wirklich nicht viel, aber umso stärker wirkt er in seiner Rolle, wodurch er sich sogar gegen seine erstklassigen Kollegen Alec Guinness, Julie Christie, Geraldine Chaplin und Rod Steiger behaupten kann. Lohn dieses Understatements: Ein weiterer Golden Globe, übrigens einer der wenigen, die ohne gleichzeitige Oscarnominierung daherkamen.

Mit Dr. Schiwago war Sharif vom einmalig erfolgreichen Nebendarsteller zum einmalig erfolgreichen Hauptdarsteller gereift und hätte nun erneut eine bemerkenswerte Karriere ins Rollen bringen können. Stattdessen passierte wiederum nicht viel: Bis in die 80er Jahre hinein konnte er keine einzige überzeugende Schauspielleistung mehr abliefern, und das, obwohl er praktisch alles spielte: Mal war er ein Wehrmachtsgeneral, dann spielte er den kommunistischen Guerillero Che Guevara oder gab den K.-u-K.-Kronprinz Rudolf. Letztere Rolle war übrigens noch eine der besseren. Mitte der 80er wurde Sharif dann endgültig zur tragischen Figur, als er zunehmend durch mehr oder weniger drittklassige Fernsehfilme geisterte oder – wie 1999 in Der 13. Krieger oder 2004 in Hidalgo – Kopien seiner Lawrence-Figur verkörperte.

Nicht minder tragisch als diese Produktionen ist der eigentliche Grund, weshalb sich Sharif dafür hergab: Er hatte Wettschulden, und das nicht zu knapp. „Ich war früher ein einsamer Mann“, erzählte Sharif vor einigen Jahren über seine Vagabundenzeit nach der Trennung von seiner Frau 1974. „Wenn man in einer neuen Stadt ankommt, in der man niemanden kennt, gibt es nur einen Ort, wo man als bekannte Persönlichkeit allein zu Abend essen kann, und das ist ein Spielkasino.“ Dummerweise beließ er es nie beim Essen. „Ich habe viel gespielt, war deshalb immer pleite und brauchte dringend meine nächste Gage. Irgendwann musste ich dann rund um die Uhr arbeiten, um meine Familie, mich selbst und meine teuren Hobbys zu finanzieren, und an irgendeinem Punkt wurde es mir zu dumm. Meine eigenen Enkelkinder machten sich über meine Rollen lustig, und das ist eine ernste Sache. Also beschloss ich, aufzuhören, zumindest etwas von meiner Würde zu bewahren und auf bessere Angebote zu warten.“

Eine Strategie, die immerhin teilweise aufging: 2003 glänzte er in der Romanverfilmung Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran und erhielt für seine Darstellung des türkischen Ladenbesitzers, der zu einer Art Ersatzvater eines jüdischen Jungen wird, den César als bester Schauspieler des Jahres und den Publikumspreis der Filmfestspiele von Venedig. Wie von Sharif allerdings nicht anders zu erwarten, kam danach wiederum nur Durchschnitt.

Seit 2009 ist Sherif Ali erneut in einer Art Ruhestand, aus dem ihn diesmal hoffentlich nur ein neuer Lawrence von Arabien ins Rampenlicht zurückholen wird. Seine Autobiographie beendete er mit den Sätzen: „Ich will im Grunde nur, dass heute wieder so ist wie gestern.“ Ihm und der Filmwelt wäre Besseres kaum zu wünschen.